»Macbeth«, 3. Akt: Die große Scene der Hexen (Damen des Wiener Staatsopernchors) © Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn

»Macbeth«, 3. Akt: Die große Scene der Hexen (Damen des Wiener Staatsopernchors)

© Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn

Giuseppe Verdi: »Macbeth«

Wiener Staatsoper

Von Thomas Prochazka

An der Staatsoper gab man gestern zum letzten Mal in dieser Saison Macbeth. In Christian Räths unsäglicher Scene. Soetwas heißt man neuerdings »repertoire-tauglich« und meint, es handle sich hierbei um ein Qualitätskriterium.

Dabei ist es nur die Zuschreibung eines notwendigen Umstandes, diesfalls mit akuter Schizophreniegefährdung all jener Opernfreunde, welche für die gleichzeitige Aufnahme von Musik, Text und Scene bereit sind. Gespielt und gesungen wurde auf hohem Repertoire-Niveau mit gelegentlicher Neigung zu stimmlichen Unfällen.

Soweit ein erster Befund.

II.
Die Sängerkrone des Abends ging an Jongmin Park. Der 29-jährige Koreaner interpretierte die Partie des Banco mit strömender Linie, jedoch mit größerem Druck auf die Stimme als noch in der Vorstellung am vergangenen Mittwoch. Parks stimmliche Gestaltung der Partie braucht die Konkurrenz mit seinem großen Rollenvorgänger nicht zu scheuen. Darstellerisch bietet Christian Räths Spielleitung ja kaum Möglichkeiten zum Spiel: Mantel hierhin, Mantel dahin, zweimal salutieren, das war’s auch schon.

III.
Bror Magnus Tødenes, der Malcolm dieser Serie, war von Dominique Meyer beim Concorso Internazionale di Canto 2015 der Fondazione Renata Tebaldi in San Marino entdeckt worden. Der 24-jährige Norweger, seit Beginn dieser Spielzeit Ensemble-Mitglied, ließ bereits in Glucks Armide mit eng geführter Stimme und guter Technik aufhorchen. Gestern schwang hie und da sogar ein metallischer Kern mit. Da kann uns, bei umsichtiger Disposition und konstanter, guter Arbeit, etwas Schönes, Großes heranwachsen.

IV.
Wie bereits in der Premièren-Serie klang der Malcolm gesünder, ausgeruhrter, frischer als der Macduff. Jorge de León mag über ein stimmgewaltiges Organ verfügen. Es seiner Partie gemäß einzusetzen gelang ihm abermals nicht: Grob, laut und ohne Kultur klang das alles. Auch die darstellerische Gestaltung ließ zu wünschen übrig: Niemals darf Macduff, nachdem er den Mord an Duncano entdeckte, so gemächlich die Treppe hinabsteigen, als wäre er am Weg zum Pausen-Buffet.

V.
Ähnlich Enttäuschendes muß auch von den Hexen berichtet werden: Die Damen des Staatsopernchores waren sich in dieser Serie oftmals nicht einig, wann genau denn nun einzusetzen wäre. Daß sie als Hexen »abtanzen« müssen, als gelte es ein casting für ein Remake von Saturday Night Fever zu gewinnen, verdanken sie den Ideen des von vielen so gelobten Spielvogtes. Und die schottischen Wälder sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Ob es an Evelino Pidòs Zeichengebung lag, an ungünstigen Positionen auf der Bühne — das muß das Publikum nicht interessieren.

»Macbeth«, 2. Akt: Tatiana Serjan (Lady Macbeth), welche in der ersten Vorstellung für Martina Serafin eingesprungen war, und Simon Keenlyside (Macbeth) © Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn

»Macbeth«, 2. Akt: Tatiana Serjan (Lady Macbeth), welche in der ersten Vorstellung für Martina Serafin eingesprungen war, und Simon Keenlyside (Macbeth)

© Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn

VI.
Evelino Pidò leitete in dieser Serie erstmals Verdis Macbeth im Haus am Ring. Im Vergleich zu seinen Vorgängern war dies eine Verbesserung. Pidò war allerdings weit entfernt davon, um die Phrasen zu ringen, diese durchzuformen und den Mitstreitern abzufordern. (Wobei alles am Mittwoch besser gelang denn gestern abend.) Man soll die Lebenden nicht mit den Denkmälern Verblichener erschlagen, aber: Der Name Riccardo Muti sollte in Dirigentenkreisen nicht ganz unbekannt sein. Da könnte man nachhören, wie’s geht.

VII.
Als Martina Serafin ihre erste große Szene mit »Nel di della vittoria io le incontrai« eröffnete, dankte man für ihr Italienisch — bar jenes unerträglichen slawischen Akzents, welchen man heute so oft über sich ergehen lassen muß. Allein, die Freude darüber wich alsbald der Ernüchterung: Da hatte eine Sängerin Kredit aufgenommen auf ihre Stimme und schien nicht in der Lage, die Raten fristgerecht zu begleichen. Im oberen Register verlor Serafins durchaus kräftige Stimme oft den Fokus, klang schrill und ungezügelt. Dabei intonierte sie richtig (wenn man von zwei hohen Cs in der Bankett-Scene absieht). »La luce langue« gelang am besten, gefolgt von der Schlafwandel-Scene. Da scheint in diesen Tagen München (wieder einmal) die Nase vorn zu haben…

VIII.
Singen ist Schwerarbeit. Simon Keenlyside gab in dieser Serie Zeugnis ab davon. Wie dieser Singschauspieler als Macbeth seine Scenen durcharbeitete, wie er — bis zuletzt in bedingungsloser Liebe zur Lady — sich immer wieder aufraffend litt … das war spannend und beeindruckend mitanzusehen. Wie Keenlyside sich im Finale des ersten Aktes Malcom näherte, zuerst zögerte, dem Knienden tröstend die Hand auf die Schulter zu legen, um sich dann zu ermannen … das offenbarte jene Arbeit, welche eigentlich vom Spielvogt zu leisten wäre.

Wie andernorts bereits festgestellt, klang Keenlysides technisch sehr sauber geführter Bariton den ganzen Abend hindurch trocken. Da fehlte jener Schmelz, welchen sich die Opernfreunde von den Interpreten dieser Partien erhoffen. Macbeth stellt für den gebürtigen Londoner wohl eine Grenzpartie dar. Doch, allen Einwänden zum Trotz: »Pietà, rispetto, amore« war im Haus am Ring schon lange nicht mehr mit jener technischen Meisterschaft gesungen zu hören.

Und das ist ja immerhin ein Anfang.

94 ms