»Das Rheingold«, 1. Bild: Alberich raubt den Rheintöchtern das Gold © Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn

»Das Rheingold«, 1. Bild: Alberich raubt den Rheintöchtern das Gold

© Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn

Richard Wagner:
»Das Rheingold«

Wiener Staatsoper

Von Thomas Prochazka

Nicht wonnig ward es gewonnen — das erste Viertel des Reifs. Gediegenes Repertoire. Und: verlängerte Osterferien für alle. (Das ist es.)

II.
Die aktuellen Vorstellungen des Ring des Nibelungen vereinen vertraute Mienen mit neuen Gesichtern. Manche Spannung erwächst aus dieser Konstellation: Wenn sich beispielsweise Michaela Schuster als Fricka und Wotan Tomasz Konieczny bei der Ankunft der »Bauunter­nehmung Fasolt & Fafner« (© Loriot) in Pose werfen und Anna Gabler als Freia sie darin übertrumpft. (Die »Corinne« der Madame de Staël läßt grüßen.) … Oder wenn der Alberich des Martin Winkler bei seinem Haus-Debut sich sklavisch an des Spielvogt Sven-Eric Bechtolf Vorgaben hält: Wie lächerlich nehmen sich Winklers Schwimmbewegungen(?) am Grunde des Rheins dann aus… Winkler ist eine mögliche Besetzung des Alberich; — wenn man Repertoire-Vorstellungen zu besetzen hat. Der Ring-Fluch allerdings führt seinen Baßbariton hörbar an dessen Grenzen: Da mißlangen ein paar Spitzentöne, verlor die Stimme den Fokus.

III.
Winkler fügte sich so nahtlos ins erste Bild mit seinen Vokalisen… Denn mit der Text­verständlichkeit der Rheintöchter — Daniela Fally (Woglinde), Stephanie Houtzeel (Wellgunde) und Bonigwe Nakani (Flosshilde) — war es nicht zum besten bestellt. Wiewohl angemerkt werden soll, daß Houtzeel den günstigsten Eindruck hinterließ und Fally sich in der mittleren Sopranregion hörbar wohler fühlte denn als Oscar im Herbst.

IV.
Der Froh des Jörg Schneider wartete mit dunkel timbriertem und gut geführtem Tenor auf; — welch ein Unterschied zu den sonst üblichen Besetzungen! Und welch ein Unterschied zum dagegen trocken und resonanzlos klingenden Donner des Clemens Unterreiner

Anna Gabler sang nach ihrem Haus-Debut als Arabella erstmals die Freia, mit gesund klingender Mittellage, aber einigen Schärfen im oberen Register. Trotz allem: Die Göttin liegt Gabler besser in der Kehle als das Wiener Mädel aus einstmals gutem Haus.

V.
Die Fricka der Michaela Schuster vermochte stimmlich nicht zu verhehlen, daß ihre Beziehung zu Wotan schon länger währt: In den höheren Regionen waren die Abnützungserscheinungen deutlich zu vernehmen, klang die Stimme oftmals überfordert. Einerseits. Andererseits waren da die kleinen Gesten Schusters, mit welchen sie die Handlung unterstützte: Ausdruck jahrelanger Erfahrung.

VI.
Tomasz Konieczny kehrte uns als Rheingold-Wotan wieder. Auffällig dreierlei: Koniecznys diesmal überaus stark hervortretender polnischer Akzent. Seine das Orchester problemlos überstrahlende Stimme, ohne daß ich das Gefühl allzu starken Forcierens hatte. Und seine Lust am Spiel, auch (oder vor allem) in den vom Spielvogt ersonnenen komischen Augenblicken.

(Den Nuancen, welche Wagner ja durchaus auch komponiert hat, schenkte man an diesem Abend generell nicht allzu viel Aufmerksamkeit.)

»Das Rheingold«, 2. Bild: Wotan (Tomasz Konieczny) und Fricka (Michaela Schuster) © Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn

»Das Rheingold«, 2. Bild: Wotan (Tomasz Konieczny) und Fricka (Michaela Schuster)

© Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn

VII.
Norbert Ernst spielte, nein, war Loge: Des Feuers Element imitierend, schwer faßbar, machte er sich die Szene zur Bühne. Sein Tenor ist nachgedunkelt, voller geworden. Und läßt ein wenig von jener Behendigkeit missen, welche Ernsts Spiel eignet. Konieczny und er harmonieren im Schlaf, beherrschen die Vorstellung über weite Strecken.

VIII.
Überraschend Ryan Speedo Green bei seinem Wiener Rollen-Debut als Fasolt: Gewiß, noch erreicht er nicht die in sich ruhende stimmliche Gestaltung eines Ain Anger. Für eine positive Überraschung des Abends langt es allemal. Gleiches darf auch von Sorin Coliban als Fafner berichtet werden: Die Partie des Fafner zählt unzweifelhaft zu den besten des Rumänen.

Monika Bohinec debutierte als unauffällige Erda, und Herwig Pecoraro spielte als Mime mit sichtlicher Freude. 

IX.
Laut war‘s. (Dies vorweg.) Ádam Fischer ließ diesmal über weite Strecken (zu) laut spielen, den Rhein bereits als Bach, nicht als Rinnsal entspringen. Da wäre weniger mehr gewesen… (Vielleicht hatte man zwischen Dantons Tod und Parsifal auf Proben verzichtet?) Hin und wieder wackelte es nämlich im Graben… Nicht nur die Hörner und Tuben ließen ein paarmal aufhorchen; — und nicht immer klang alles so, wie ich es in Erinnerung habe.

X.
Alles in allem eignete dem Abend eine gewisse Oberflächlichkeit. Gepflegte Wiener Schlamperei. Ganz so, als wüßte man um das eigene Können und darum, den Vorabend ohne größere »Unfälle« geordnet über die Bühne zu bringen. (Was auch gelang.)

Das Ausschreiten des Wagnerschen Kosmos, wie man‘s erhofft hatte: Diesmal unterblieb es.

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