»Raymonda«, 1. Akt: Ioanna Avraam (Clémence), Alice Firenze (Henriette), Trevor Hayden (Bernard de Ventadour), Olga Esina (Raymonda) und Tristan Ridel (Béranger) © Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

»Raymonda«, 1. Akt: Ioanna Avraam (Clémence), Alice Firenze (Henriette), Trevor Hayden (Bernard de Ventadour), Olga Esina (Raymonda) und Tristan Ridel (Béranger)

© Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

Alexander Glasunow: »Raymonda«

Wiener Staatsballett

Von Ulrike Klein

In der Partie der Raymonda feiert Olga Esina ihre Rückkehr auf die Bühne der Wiener Staatsoper. Noch sind die Spuren der langen Auszeit nicht gänzlich überwunden, aber sie ist auf dem besten Wege, sich die Bühne zurückzuerobern.

Allerdings zeigten sich — vornehmlich in den pas de deux — noch einige Ungereimtheiten, einige Unsicherheiten im Umgang mit dem Partner. Ihre Soli gelangen im Laufe des Abends immer besser. Da schien sie von Solo zu Solo an Sicherheit zu gewinnen. Bemerkenswert schön immer noch: die port de bras, das épaulement und die Grazie im Ausdruck. Erst jetzt wird offenkundig, worauf wir solange verzichten mußten.

Ihr zur Seite stand Jakob Feyferlik als Jean de Brienne, den er bereits in der Wiederaufnahme im Dezember 2016 getanzt hatte. Feyferlik gewann im Laufe der Monate an Sicherheit auf der Bühne. Er wirkt mittlerweile routinierter, auch im Umgang mit seinen Partnerinnen. Allerdings fehlt ihm immer noch die Ausgewogenheit im Tanz: Vieles wird zu hastig absolviert. Es gibt zuviele Momente, in welchen der Oberkörper den Beinen voran ist. Dann gerät Feyferlik regelmäßig aus der Achse. Besonders auffällig wurde dies bei den rasch auf­einander­folgenden Touren, bei der manège und den schwierigen Richtungswechseln. Keine Frage, er tanzt um ein bis zwei Klassen besser als sein Vorgänger in dieser Partie; — aber es bleiben noch einige Wünsche offen.

Mit Ioanna Avraam und Alice Firenze waren an diesem Abend zwei Solistinnen aufgeboten, die aus den Freundinnen Clémence und Henriette Hoffräulein machten — und keine »Girlies«. Sauber und auf Linie bedacht tanzten die beiden ihre Soli. Besonders bei Firenze sind die Linienführung der Arme und des Kopfes positiv zu vermerken. Sie strahlt jene Ruhe aus, welche auf einer guten Technik basiert. Der Bewegungsablauf wirkt nicht aufgesetzt, sondern entwickelt sich natürlich. Auch die Begleiter Trevor Hayden und Tristan Ridel als Bernard und Béranger machten gute Figur. Nicht überragend oder brillant: — aber sauber getanzt.

»Raymonda«, 2. Akt: Vladimir Shishov als Abderachman © Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

»Raymonda«, 2. Akt: Vladimir Shishov als Abderachman

© Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

Als Abderachman bot Vladimir Shishov eine bemerkenswerte Leistung. Weich und werbend gestaltete er die Partie und reichte damit im Ausdruck nahe an Jean Guizerix heran, den Abderachman der Pariser Première von 1983. Vor allem das an Paul Taylor angelehnte Solo gelang ausgezeichnet. Sicher kann man einige Unsauberkeiten in der Fußarbeit konstatieren; aber der Gestaltung der Rolle tat das keinerlei Abbruch. Und: Als Partner weiß er ganz genau, was er zu tun hat. Mit großer Aufmerksamkeit begleitete er Olga Esina durch die pas de deux. Wieder wünschte man sich fast, daß dieses Paar zusammenfände…

In der mittlerweile vierten Vorstellung dieser Serie fanden auch das corps de ballet und das Orchester zu ihrem Rhythmus. Was am ersten Abend noch unsauber und gehetzt auf der Bühne und im Graben passierte, wurde nun zu einer Einheit. Die Koordination erschien deutlich verbessert, und dadurch kehrte auch auf der Bühne mehr Ruhe ein. Dies kam vor allem den kleinen Rollen zugute: Fegte Oxana Kiyanenko am ersten Abend noch ziemlich unwirsch über die Bühne, gelang es ihr nun, eine Gräfin zu sein, die mit Grandeur in ihrer Rolle agierte.

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