40 45 50 1 5 10 15 20 25 30 35 39 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 24.07.2022 24.07.2022 664 Grippe 19/20 664 Grippe 19/20 332 Grippe 20/21 332 Grippe 20/21 541 Grippe 21/22 541 Grippe 21/22 96 COVID-19 19/20 96 COVID-19 19/20 308 COVID-19 20/21 308 COVID-19 20/21 1188 COVID-19 21/22 1188 COVID-19 21/22 40 45 50 1 5 10 15 20 25 30 35 39 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 16. März 2020 – 4. Juni 2020: Oper und Theater geschlossen 3. November 2020 – 18. Mai 2021: Oper und Theater geschlossen 22. November 2021 – 12. Dezember 2021: Oper und Theater geschlossen 24.07.2022 24.07.2022 664 Grippe 19/20 664 Grippe 19/20 332 Grippe 20/21 332 Grippe 20/21 541 Grippe 21/22 541 Grippe 21/22 96 COVID-19 19/20 96 COVID-19 19/20 308 COVID-19 20/21 308 COVID-19 20/21 1188 COVID-19 21/22 1188 COVID-19 21/22

COVID-19 in Österreich: Trend der Grippe- und grippeähnlichen Erkrankungen der letzten Jahre auf Wochenbasis im Vergleich zu den positiv auf das SARS-CoV-2-Virus Getesteten pro 100.000 Einwohner (Details).

www.man-impft.irgendwann

Von Thomas Prochazka

Die Geschichte einer Website.
(Ein Dramolett.)

Ein Besprechungszimmer in einem Kanzleramt in einem der vielen Operettenstaaten dieser Welt. An einem Montagmorgen Anfang Dezember. Um den Tisch sitzen, mit Abstand und FFP2-Masken, der Vizekanzler, ein Sektionschef und eine junge, aufstrebende Web-Entwicklerin. Die Tür öffnet sich.

Der Kanzler (tritt forschen Schrittes ein, wie immer im zu engen, an seine Konfirmation erinnernden Anzug und ohne Maske. Setzt sich ungeniert auf den freien Platz zwischen dem Sektionschef und der Web-Entwicklerin, legt die vom Sektionschef zugereichten Blätter achtlos vor sich auf den Tisch):
Also, worum geht’s?
Sektionschef (in väterlichem Ton):
Es geht um Ihre Idee für die Website mit dem nationalen COVID-19-Impfplan…
Der Kanzler:
Die was?
Der Vizekanzler:
Die Corona-Impfungen… (Schnauft unter der Maske.) Jetzt setz' ich das blöde Ding ab! Da kriegt ja kein Mensch Luft!
Der Kanzler:
Was sagt’s denn das nicht gleich? (Blickt die junge Web-Entwicklerin an.) Sie sind doch meine Großkusine, nicht wahr? Die Mama hat gestern etwas in der Art erwähnt… Sie wissen eh: Unter 100.000 müß’ ma nicht ausschreiben. Wenn Sie verstehen, was ich mein’…
Der Vizekanzler (unterbricht):
Du warst beim Friseur?
Der Kanzler:
Im Fernsehen. »Talk im Dunkeln« oder wie das heißt. Hast Du’s nicht geseh’n, gestern abend?
Der Vizekanzler (schüttelt den Kopf):
Wir hatten Gäste.
Der Kanzler:
Im harten Lockdown?
Der Vizekanzler (entrüstet):
Entschuldige! Du warst ja auch beim Friseur…
Der Kanzler:
Das stimmt so nicht. Mein Coiffeur ist ins Fernsehstudio gekommen. Ich mein’: Ich kann mich doch nicht unfrisiert vor die Kamera setzen. Da erkennen mich ja meine Wähler nicht mehr. Und außerdem: Was hätt’ die Mama von mir denken sollen?
Der Vizekanzler:
Wir befinden uns im »harten Lockdown« und Du läßt Deinen Friseur…
Der Kanzler:
…Coiffeur…
Der Vizekanzler:
…Coiffeur, meinetwegen. Du läßt Deinen Coiffeur ins Fernsehstudio kommen? Das ist doch verboten!
Der Kanzler:
Mein Gott, bist Du pingelig! Der Lockdown gilt doch vor allem für die breite Masse! In Tirol geh’n’s ja auch Schifahren.
Sektionschef (zurückhaltend):
Könnten wir vielleicht…
Der Kanzler:
Was? Ja, natürlich. (zur Web-Expertin) Also, wir brauch’n a Website. Nichts Großes, nur irgendwas für diese Corona…
Sektionschef:
COVID-19
Der Kanzler (irritiert):
… ja, also für die COVID-19-Impfungen. (Zum Sektionschef.) Ich sag’s ja eh richtig. Wie gesagt, nichts Großes, nur den nationalen Impfplan.
Web-Expertin (ungläubig):
Den nationalen Impfplan?
Der Kanzler:
Ja. Wer wann drankommt, halt.
Web-Expertin (unsicher):
Ist für diese Website nicht eigentlich der Gesundheitsminister zuständig?
Der Kanzler:
Der hat heute keine Zeit. Montagvormittag leckt er immer die Wunden, die ihm die Magazine am Wochenende beigebracht haben. Außerdem muß er sich ja auch irgendwann einmal um die Bonsais in seinem Büro kümmern, nicht wahr? Und überhaupt: Sowas ist Chefsache!
Der Vizekanzler (murmelnd):
Anders als die Kultur…
Der Kanzler:
Jetzt tu’ nicht so, als ob du jedes Wochenende ins Museum gehst! Diese Kulturverliebten geh’n mir auf die Nerven. Immer wollen ’s Geld. Künstler haben eben überhaupt keinen Sinn für Politik. Allein diese Idee, seinen Beruf ausüben zu wollen! Ich hab’ noch nie in meinem Leben einen Beruf g’habt!
Web-Expertin (versucht, zum Thema zurückzukehren):
Sie meinen eine detaillierte Aufstellung darüber, wieviele Dosen welchen Impfstoffs an welchem Tag in welcher Einrichtung geimpft…
Der Vizekanzler (unterbricht):
Verimpft. Es muß »verimpft« heißen. Ich hab’ extra beim Verfassungsdienst nachgefragt.
Web-Expertin:
Also gut: verimpft. Sie wollen also um 100.000  EUR eine Website, auf der jeder nachsehen kann, wann wo in welcher Einrichtung wer geimpft wird?
Der Kanzler:
Zu was?
Web-Expertin (unsicher):
Naja… Sollten wir uns nicht um größtmögliche Transparenz bemühen?
Sektionschef (väterlich):
Na, na, Kinderl… Wir wollen’s nicht übertreiben mit der Transparenz…
Der Kanzler:
Genau. Machen ’S ma einfach drei so Pletsch’n, in die schreiben wir »Phase 1«, »Phase 2« und »Phase 3«. Und dann schreib’ ma dazu, daß in der Phase 1 die über Achtzigjährigen geimpft werden, in der Phase 2 alle über 65 und in der Phase 3 der Rest. Wir haben schon einen Brief verschickt an alle aus der Phase 1, daß sie sich ab Anfang nächsten Monats über die Website anmelden können…
Web-Expertin (mit aufgerissenen Augen):
Online? Die über Achtzigjährigen?
Der Vizekanzler:
Wir haben eh auch eine Telefonnummer dazugeschrieben. Für Notfälle.
Web-Expertin:
Da werden aber fast alle anrufen.
Der Vizekanzler (schüttelt den Kopf):
Nein, nein. Wir haben da ein zweistufiges Konzept entwickelt: Wenn zuviele Leute gleichzeitig anrufen, dann hören sie nur das Besetztzeichen.
Der Kanzler:
Ja, und wenn’s auch dafür zuviele sind, dann kommt das Signal für »Kein Anschluß unter dieser Nummer«. Das hat schon bei der Corona-Hotline prima funktioniert!
Web-Expertin (sieht ihn entgeistert an):
Da geben doch die Leute irgendwann einmal auf!
Der Vizekanzler (achselzuckend):
Wir haben ohnehin nicht genügend Impfstoff für alle. Auch nicht mit dem »Apollo 13«-Impfstoff, oder wie der heißt. Das paßt dann schon so…
Web-Expertin:
Ja, aber…
Der Kanzler (unterbricht):
Sagen ’S, können Sie nicht auf der Website ein Bild von mir bringen? Wie ich einen Senior Buckelkrax’n zur Impfung trag’, oder so? Das mit dem einen Buben ist im letzten Wahlkampf sehr gut angekommen…
Der Vizekanzler (eifrig):
Und mich mit einer jungen Familie aus meiner Wählerschaft? Neben einem frisch gepflanzten Baum vielleicht?
Web-Expertin (blickt hilfesuchend zum Sektionschef. Unsicher):
Ja, also… Ich weiß nicht…
Der Kanzler (enttäuscht):
Nicht? Könnten wir dann vielleicht ein Foto von der Mama… Auch nicht? Naja, wenn es wirklich nicht geht… Da kann man halt nichts machen. Aber ich hab’ da ein gutes Gefühl bei Ihnen. Wir sind auf dem richtigen Weg. (Steht auf.) Gut, ich denke, wir haben’s. Hat mich gefreut, daß unser Treffen so konstruktiv war! Der Herr Sektionschef kümmert sich um alles Weitere. Auf Wiedersehen! (ab.)
Der Vizekanzler (reicht der Web-Expertin abwesend die Hand):
Tja, ich muß dann auch… Stellen Sie sich vor, die Kulturministerin will doch allen Ernstes die Museen, Theater und Opernhäuser aufsperren lassen! Das wär’ ja noch schöner! (ab.)
Sektionschef (in väterlichem Ton):
Na bitte! Gut is’ g’gang’n, nix is g’scheh’n. Ganz wie ich’s Ihnen g’sagt hab’.
Web-Expertin:
Ja, aber… Wir haben doch gar nichts…
Sektionschef (kopfschüttelnd):
Kinderl, Kinderl… Das ist ja gar nicht notwendig. Wir machen das wie bei dieser anderen Website… Wie hieß die noch gleich? Irgendwas mit »Kaufhaus«… Naja, es wird mir schon wieder einfallen. Hauptsache ist doch, Sie bekommen Ihr Honorar, nicht wahr? (Dann, mit einem weisen Lächeln) Wissen Sie, der Menasse hat recht gehabt: Dummheit ist machbar1.

(Vorhang.)

  1. Robert Menasse: »Dummheit ist machbar«. Begleitende Essays zum Stillstand der Republik. Sonderzahl Verlagsges.m.b.H. Wien, 1991; ISBN 978-3854491552

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