»Le Corsaire«, 3. Akt: Nina Tonoli, Nikisha Fogo und Natascha Mair als Odalisken (von rechts nach links) © Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

»Le Corsaire«, 3. Akt: Nina Tonoli, Nikisha Fogo und Natascha Mair als Odalisken (von rechts nach links)

© Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

Adolphe Adam et al.: »Le Corsaire«

Wiener Staatsballett

Von Ulrike Klein

The battle of the ballerinas.

Nach einer Woche Pause stand am Freitag die zweite Vorstellung von Manuel Legris’ Le Corsaire auf dem Programm. Diesmal ward ein Gast als Conrad aufgeboten: Kimin Kim, Principal Dancer des Balletts des Mariinski-Theaters. Vorgestellt hatte sich Kim dem Wiener Publikum im Sep­tem­ber 2018 als Albrecht in Giselle; damals eher enttäuschend. Die Partie des Conrad tanzte er mit der Wiener Compagnie bereits bei deren Gastspiel in Japan im vergangenen Jahr. Somit war es nur ein Rollen-Debut am Haus.

Das Interesse an diesem Gast lockte sogar die Schüler der Ballettschule der Wiener Staatsoper ins Haus am Ring. Normalerweise zeigt sich der jugendliche Tänzernachwuchs nicht wirklich in­te­res­siert an der Arbeit, die auf der Bühne der Staatsoper gezeigt wird. Schade, denn da könnte in jeder Vorstellung gelernt werden; — gleichgültig, ob ein Gast oder eigene Compagnie-Mit­glie­der ihr Können zeigen. Daß viele der jungen Damen und Herren sich nicht zu benehmen wissen, ist allerdings ein anderes Kapitel… Begeisterung ist schön und gut: Aber eine Vorstellung durch ständiges Gerede zu stören, ist unhöflich und respektlos — gegenüber den Künstlern und dem übrigen Publikum. Darüber sollte auch einmal nachgedacht werden. Vielleicht gerade jetzt, wo so viel von Disziplin und Unterrichtsmethoden an der Ballettschule die Rede geht.

Doch zurück zur Vorstellung. In dieser einen Woche Pause muß ein starker Wind den Sand ver­weht haben, der noch am 3. Mai das Getriebe lähmte…

Das corps de ballet bot eine mehr als adäquate Leistung. Da mußte hart gearbeitet worden sein. Gesellte sich eventuell der Ansporn dazu, welchen ein Gasttänzer hervorzurufen weiß? Das Ergebnis konnte sich jedenfalls sehen lassen. Auch aus dem Orchestergraben heraus wurde das Publikum mit einer sehr viel schwungvolleren Vor­stellung beschenkt.

Mit Maria Yakovleva als Médora und Liudmila Konovalova als Gulnare wurden zwei Erste So­li­stin­nen aufgeboten. Erste Solistinnen, welche mit jeder Vorstellung ihren Rang erneut beweisen. Beide Damen sind technisch so sicher, daß sie sich dem Spiel mit den Partnern hingeben können. Zudem hatte der Zuschauer das Gefühl, daß man sich gegenseitig anspornte, sodaß die Soli fast zu einem Wettkampf gerieten… 

Eno Peci war zum ersten Mal Seyd Pascha und ließ sich von Konovalovas Gulnare umgarnen. Peci, seit 2000 in der Compagnie, versteht es, mit kleinen Gesten und Blicken einen Pascha zu zeich­nen, der einerseits seine Macht demonstriert, sich andererseits von Gulnare um den Finger wickeln läßt. Da wird aus einer Schreitrolle eine Hauptpartie.

»Le Corsaire«: Maria Yakovleva (Médora) und Kimin Kim (Conrad) im Ballettsaal © Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

»Le Corsaire«: Maria Yakovleva (Médora) und Kimin Kim (Conrad) im Ballettsaal

© Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

Als Lanquedem erlebten wir wieder Mihail Sosnovschi, seit 2001 in der Wiener Compagnie zu Hau­se. Die raubtiergleiche Eleganz dieses Tänzers, die Sprungkraft und ganz besonders der Aus­druck im Spiel machen Vorstellungen mit ihm immer wieder zu einem Erlebnis.

Kimin Kim wurde bereits bei seinem ersten Sprung lautstark bejubelt. »Sprung« ist das falsche Wort: »Flug« paßt besser. Viel besser. Da scheint ein Tänzer die Gesetze der Schwerkraft auf­zu­heben. Schlank, grazil schwebt er in enormer Höhe und Weite über die Bühne. Das macht Ein­druck. Aber Höhe und Weite benötigen Zeit. Zeit, welche dann wiederum eingespart werden muß. Das heißt, er spart sich manch schnelle kleine Kombinationen, die wir bei anderen Interpreten so bewundern. Denys Cherevychko führte sie uns vergangene Woche be­wun­derns­wert sauber vor…

Mit fast allen Gästen teilt Kim das Problem, sich in die Compagnie einzugliedern. In Ausdruck und Spiel bleibt er außen vor. Auch der große pas de deux im zweiten Akt war mehr solistisches Bravour­stück denn ein Miteinander. Besonders augenscheinlich wurde dies im nachfolgenden Liebes-pas de deux. Da fehlte mir die Innigkeit.

In seiner zweiten Vorstellung am kommenden Montag wird Kimin Kim übrigens Liudmila Konovalova als Mé­dora entführen; Kiyoka Hashimoto wird die Gulnare tanzen.

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