»Rigoletto«, 2. Akt: Aida Garifullina als Gilda und Paolo Rumetz als Rigoletto © Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn

»Rigoletto«, 2. Akt: Aida Garifullina als Gilda und Paolo Rumetz als Rigoletto

© Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn

Giuseppe Verdi: »Rigoletto«

Wiener Staatsoper

Von Thomas Prochazka

I.
Die Staatsoper spielt Rigoletto in Pierre Audis uninteressanter und teilweise öder Szene. Und muß nach dem Bariton auch den Tenor umbesetzen.
Das bescherte dem Publikum immerhin ein Haus-Debut. Und verlieh dem Abend Spannung.

II.
Marco Armiliato und das Staatsopernorchester boten Italianità der überschwenglichen Art. Ein bißchen weniger Pomp, ein wenig mehr Berücksichtigung der dynamischen Vortragszeichen hätte den Sängern ihre Aufgaben erleichtert. (Immerhin enthält die Rigoletto-Partitur doch auch einige piano- und pianissimo-Stellen.)

Ein Detail am Rande: Als am Ende von »Caro nome«, nach Gildas Phrase »fin lultimo sospiro tuo sarà« und während der Rücknahme des Orchesters ins pianissimo, Applaus aufbrandete, dirigierte Armiliato weiter. Und bedeutete dem kundigen Wiener Publikum durch Handzeichen, daß die Nummer noch nicht zu Ende sei und man mit dem Beifall noch zuwarten möge.

III.
Paolo Rumetz sollte Rigoletto sein. So bestimmte man es in der Direktion der Staatsoper. Ob aus fortgesetztem Dank für die Rettung der Première im Dezember 2014 oder weil man in den Monaten nach Dmitri Hvorostovskys Ableben die Mühe scheute, adäquaten Ersatz zu finden?

Das Ensemble-Mitglied kämpft tapfer, von der ersten Phrase an. Man hört es. Und darin liegt die Tragik: Da müht sich einer nach Kräften, zumindest gesanglich über die Runden zu kommen. Die Zuschreibungen Piaves und Verdis — Hofnarr, Buckliger und rächender Vater — werden von Rumetz kaum eingelöst. Die Darstellung bleibt eintönig, legato das unerreichbare Ziel. Alles muß dem stimmlichen »Überleben« untergeordnet werden. … Die geforderte Behendigkeit in der Stimme (z.B. in der Schmähung Monterones gleich zu Beginn, die väterliche Sorge und Zärt­lichkeit in den Duetten mit Gilda), die grandezza vor dem vermeintlichen Sieg über den Duca: Sie sucht man an diesem Abend vergebens.

Außerdem: Die Partie des Rigoletto ist zu lang, als daß man sie als tour de force bewältigte. Die Folgen: Manch lang gehaltener Ton schwingt gefährlich, als risse er im nächsten Moment ab, andere klingen fast gesprochen. Probleme mit der Intonation häufen sich mit Fortdauer des Abends, in »Sì, vendetta« fehlt manche Phrase. (Doch die Pause ist nah, Gott sei Dank.)

IV.
Aida Garifullina überraschte in der Partie der Gilda: Ihre Stimme klang den ganzen Abend hindurch dunkler und »größer« im Volumen, als ich sie zuletzt in Erinnerung hatte. Dies galt ebenso für die Spitzentöne, als singe Garifullina sie coperto (d.h., abgedeckt). Dabei hinterließ die Stimme der Russin niemals den Eindruck übergroßer Anstrengung. Kritisch anzumerken bleibt, daß Garifullina vor allem im ersten Akt, auch in »Caro nome«, durchwegs zu tief sang.

V.
Ivan Magrì stellte sich in der Partie des Duca di Mantova dem Wiener Publikum vor. Und sang mit südländischer Leichtigkeit, die Details nicht so genau nehmend.

Magrìs Tenor verfügt über ein sehr gutes Fundament und eine solide Mittellage, mit virilem Kern und angenehmem Timbre. Allerdings ist die Stimme nicht gleichmäßig durch­gebildet, büßt auf dem Weg ins passaggio den ganzen Abend über deutlich an Resonanz, an Klang, an Volumen ein. Im hohen Register spricht sie bei größerer Lautstärke wieder gut an. Und erlaubt Magrì so jene kraftvollen — und lang gehaltenen — Spitzentöne, deretwegen das Publikum strömt. Erfolgreiches Geschäftsmodel für eine Jahrzehnte währende Carrière ist das allerdings keines.

Beim Durchgang durch das passaggio ist z.B. eine Änderung der Stimmfarbe nicht zu überhören. Dies deutet in der Regel auf eine Änderung des Stimmsitzes (und damit ein technisches Defizit) hin.

Auch sind die Feinheiten Magrìs Stärke nicht: In »Questa o quella« mißlingt bereits der Sprung vom e auf’s as bei »cedo«, klingt der hohe Ton flach und fahl. Im Duett mit Gilda wird Magrì ein paar Mal ins Falsett wechseln, um bei geringer Lautstärke in der Höhe die intendierte Wirkung zu erzielen. »Parmi veder le lacrime« und »La donna è mobile« verfehlen freilich, trotz mangelhaftem legato und mit rauher Stimme vorgetragen, ihre Publikumswirkung niemals.

VI.
Elena Maximova als Maddalena: bemüht, mit gutturalem Ton im tiefen und heller Stimme im hohen Register. Ein Schicksal, daß Maximova mit der Mehrzahl der Mezzo-Sopranistinnen teilt. Jongmin Park sang erstmals den Sparafucile im Haus am Ring, mit ruhig fließender Baßstimme. 

VII.
Der gestrige Abend: ein Abbild des heutigen Opernbetriebes. Und eine durchaus interessante Repertoire-Vorstellung, für welche sich die Staatsoper im internationalen Vergleich nicht zu genieren braucht.
Feste … klingen freilich anders.

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