40 45 50 1 5 10 15 20 25 30 35 39 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 24.07.2022 24.07.2022 664 Grippe 19/20 664 Grippe 19/20 332 Grippe 20/21 332 Grippe 20/21 541 Grippe 21/22 541 Grippe 21/22 96 COVID-19 19/20 96 COVID-19 19/20 308 COVID-19 20/21 308 COVID-19 20/21 1188 COVID-19 21/22 1188 COVID-19 21/22 40 45 50 1 5 10 15 20 25 30 35 39 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 16. März 2020 – 4. Juni 2020: Oper und Theater geschlossen 3. November 2020 – 18. Mai 2021: Oper und Theater geschlossen 22. November 2021 – 12. Dezember 2021: Oper und Theater geschlossen 24.07.2022 24.07.2022 664 Grippe 19/20 664 Grippe 19/20 332 Grippe 20/21 332 Grippe 20/21 541 Grippe 21/22 541 Grippe 21/22 96 COVID-19 19/20 96 COVID-19 19/20 308 COVID-19 20/21 308 COVID-19 20/21 1188 COVID-19 21/22 1188 COVID-19 21/22

COVID-19 in Österreich: Trend der Grippe- und grippeähnlichen Erkrankungen der letzten Jahre auf Wochenbasis im Vergleich zu den positiv auf das SARS-CoV-2-Virus Getesteten pro 100.000 Einwohner (Details).

Von der Verantwortung.

Von Thomas Prochazka

Gedanken in Zeiten einer Syndemie.

II.
Eigentlich — eigentlich ist, was wir derzeit erleben, was das SARS-CoV-2-Virus und alle seine Mutationen mit uns anstellen, keine Epidemie (oder Pandemie). Sondern eine Syndemie. Das SARS-CoV-2-Virus und seine Mutationen repräsentieren nur die medizinische Seite der Angelegenheit.

Als Syndemie oder synergetische Epidemie bezeichnet die Wissenschaft das gleichzeitige oder aufeinanderfolgende Auftreten zweier oder mehrerer Krankheitshäufungen in einer interagierenden Gesellschaft, welche die Prognose und Auswirkungen der Krankheit verschlimmern. Der Begriff wurde Mitte der 1990-er Jahre von Merrill Singer eingeführt. Er umfaßt nebst der medizinischen auch die Beschäftigung mit den gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Epidemien.

Begreift man die Syndemie als gesellschaftliche Wandlung, muß jeder Versuch der politischen und/oder selbsternannten Eliten, die Maßnahmen auf die Überwindung der Epidemie, also die medizinische Seite des Problems, zu begrenzen, scheitern.

III.
Es vergeht keine Woche, in der nicht der Gesundheitsminister nachdenklich und betrübt in Pressekonferenzen davon spricht, daß die Situation »dramatisch« sei und »die nächsten Wochen« die entscheidenden. Es vergeht kein Tag, an welchem nicht ein Experte, oft medizinische Leiter irgendwelcher Kliniken, aber auch dem Kanzler nahestehende Mathematiker und Statistiker, vor einer Überlastung des Gesundheitssystems warnen und einen neuen »harten Lockdown« fordern. Im privaten Umfeld erinnern Ältere gerne daran, daß es auch die Verantwortung des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft gäbe und daß es doch, bitte schön, nicht zuviel verlangt sein kann, zu Hause zu bleiben und anstatt in den Geschäften in der Stadt einzukaufen bei globalen Internet-Riesen zu bestellen. Das sei weniger gefährlich…

IV.
Also gut: Wie ist das jetzt mit der Verantwortung?

Wie verantworten die Befürworter weiterer Ausgangssperren, daß es im letzten Jahr auf Grund der für viele offenbar schwer zu bewältigenden psychischen Situation zu einem signifikanten Anstieg häuslicher Gewalt kam? Daß Millionen von Menschen in Österreich von dieser Bundesregierung und Teilen der Opposition mit zum Teil an Absurdität nicht mehr zu überbietenden Maßnahmen in die Armut und/oder den Bankrott getrieben werden?

Daß die politischen Führer dieses Landes vielen Selbständigen, darunter auch Fremdenführern, Kulturschaffenden und -fabrikanten, die Ausübung ihrer Berufe verbietet, ohne sie dafür adäquat zu entschädigen? Einfach so? — Daß eine solche Entschädigung, so sie nicht aus den Privatschatullen der große Worte im Mund Führenden bezahlt wird, von den Bürgern dieses Landes vielleicht gar nicht finanziert werden will?

Und, vielleicht am schlimmsten: Daß man in die Arbeitslosigkeit und den Konkurs gedrängte Menschen in diesem Land durch die Untersagung ihrer Berufsausübung mit einer an Gleichgültigkeit und Arroganz kaum zu überbietenden Nonchalance ihrer Würde beraubt? Sie zu Bittstellern von der politischen Kaste Gnaden erniedrigt?

V.
Wie ist das also mit der Verantwortung?

Wie halten es die politischen Führer mit ihrem Amtseid, die Verfassung und ihre Gesetze getreulich zu beachten, wenn sie gleichzeitig Bürgerrechte kassieren? Wenn rechtswidrige Verordnungen erlassen und die Freizügigkeit der Bürger entgegen der in Verfassungsgesetzen festgeschriebenen Rechte eingeschränkt werden? Wenn schon lange nicht mehr das Prinzip der »gelindesten Maßnahmen« gilt, wie ein Blick auf die Zahlen der positiv auf COVID-19 Getesteten zeigt? Wo bleibt da der Ruf nach der Verantwortung?

Wie steht es beispielsweise um die Verantwortung gegenüber jenen, die sich — aus welchem Grund auch immer — im Rahmen der geltenden Gesetze gegen eine elektronische Verarbeitung ihrer Gesundheitsdaten entschieden und welchen nun Leistungen vorenthalten werden, auf welche jene Personen Anspruch besitzen und mit ihren Sozialabgaben und Steuergeldern zum selben Teil finanzieren wie alle anderen?

VI.
Ein Gedankenexperiment: Was wäre, wenn all jene Politiker, Experten und Pensionisten, die für neuerliche (auch lokale) »Lockdowns« eintreten, ab sofort kein Gehalt, keine Pension mehr erhielten und — wie ihre selbständigen Mitbürger — um Hilfszahlungen ansuchen müßten? Sich selbst um ihre Sozialversicherungszahlungen zu kümmern, diese aus eigener Börse vorzufinanzieren hätten? Und nach Monaten des Wartens mit maximal 3.000 EUR pro Quartal entschädigt würden, während ihre monatlichen Verpflichtungen weiterhin bestehen?

Ich denke, wir alle ahnen das Ergebnis: Diese Herrschaften schöpften alle Möglichkeiten aus, um die Bühnen offenzuhalten, die Lokale, die Hotels und die Fitness-Studios. Sie setzten, um so rasch wie möglich wieder selbst in Lohn und Stellung zu kommen, alles daran, notwendige Einschränkungen auf das absolute Minimum zu reduzieren. Sie verfolgten — wie in Schweden — den möglichst normalen Fortgang des Lebens für möglichst viele Mitbürger als Ziel.

Sie würden vielleicht sogar in die kurz- und mittelfristige Ausbildung von Pflegepersonal investieren; durch bessere Arbeitsbedingungen und signifikante Gehaltserhöhungen die Attraktivität dieser Berufe zu erhöhen suchen, um eine Überlastung des Gesundheitssystems abzuwenden. Die politischen Lippenbekenntnisse vom vergangenen Frühjahr reichten interessanterweise nicht aus…

VII.
Es ist eines, vollmundig die Verantwortung des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft einzufordern. Doch bedeutet Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zu übernehmen nicht auch, gegen Willkür, Ungesetzlichkeiten und die Ungleichbehandlung anderer seine Stimme zu erheben? Bedeutet Verantwortung, vor allem politische Verantwortung, zu übernehmen nicht auch, die Verzweiflung jener Mitbürger ernstzunehmen, die sich am Ende wähnen, nicht mehr wissen, wie es — nicht nur finanziell — weitergehen soll?

Nach Meinung des Philosophen und Juristen Gerhard Donhauser schreiben jene COVID-19-Maßnahmen, welche die Gesundheit als summum bonum über die Menschenrechte stellen, lediglich das materialistische Ziel des maximalen Nutzens fort. Sie widersprechen jedoch eindeutig der auf der Menschenwürde aufgebauten Ethik des Immanuel Kant.

VIII.
Also, noch einmal gefragt: Wie ist das jetzt mit der Verantwortung?

2.016 ms