»Dion Giovanni«, Fest im Schloß Don Giovannis (Finale des 1. Aktes) © Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn

»Dion Giovanni«, Fest im Schloß Don Giovannis (Finale des 1. Aktes)

© Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn

Wolfgang Amadeus Mozart: »Don Giovanni«

Wiener Staatsoper

Von Thomas Prochazka

Am Beginn der Fastenzeit: Erstbegegnung mit des Spielvogt Martinotys Erklärungsversuchen von Mozarts dramma giocoso. Man hätte besser Verzicht geübt: Nicht nur angesichts der oftmals der Musik zuwiderlaufenden Spielanweisungen. Mag auch auf den Rängen auch mehrfach Applaus aufgebrandet sein: Man bekam, nehmt nur alles in allem, lediglich Fastenkost geboten.
Dies ein erster Befund.

 II.
Ádám Fischer, man weiß es, ist der Mann für’s Aquarell nicht. Da hätte man im März 2014 ins Theater an der Wien zu pilgern gehabt, wo Nikolaus Harnoncourt mit dem Concentus Musicus Wien die Partitur sezierte und, analytisch aufgefächert, in teilweise anämischer Wiedergabe seine Lesart offerierte.

Fischer steht für den zupackenden, mit impressionistischem Strich gemalten Mozart: Öl statt Wasser. Seine Wiedergaben orientieren sich am großen Bogen, opfern hie und da Details um des mitreißenden Vorwärtsdrängen der Musik willen. Ich ertappe mich bei Fischers Mozart immer wieder in der Erinnerung an die Aufnahmen der Symphonien mit Josef Krips am Pult des Concertgebouw Orkest. Und an dessen von vielen Connaisseurs ebenso geschätzte Wiener Einspielung des Don Giovanni.

III.
Womit wir auch schon beim Problem der gestrigen Aufführung wären: Krips stand seinerzeit eine Sängerriege erster Qualität zur Verfügung: Ein Ensemble, zusammengewachsen und gestählt durch die Katastrophe eines Weltkrieges. Gestern stieß das — auch durch Krankheit geschwächte — Ensemble an seine sängerischen Grenzen. Pluspunkt des Abends war einmal mehr das von Albena Danailova angeführte Staatsopernorchester (souverän: Stephen Hopkins am Hammerklavier). Nach ruppigem Beginn avancierte man unter Fischers Stabführung zum gutgeschmierten Motor des Ganzen.

IV.
Valentina Naforniţa gab zum ersten Mal in Wien die Zerlina. Des Spielvogt Inszenierung und Anlage der Partie schienen ihrem Wesen entgegenzukommen. Die sängerische Leistung: für ein Ensemble-Mitglied tadellos. Für eine internationale Carrière ersten Ranges fehlte es allerdings — ich laufe Gefahr, mich zu wiederholen — am legato, der Vielseitigkeit im musikalischen Ausdruck und dem Volumen im tiefen Register.

Allerdings: Ihren Masetto (Igor Onishchenko bei seinem Rollen-Debut an der Staatsoper) sang die Naforniţa nach Strich und Faden an die Wand. Es bleibt die Hoffnung, daß dies der Nervosität Onishchenkos geschuldet war.

V.
Caroline Wenborne ward kurzfristig als Donna Anna aufgeboten. Daß sie diese Partie im Haus am Ring nicht zum ersten Mal sang, gehört mit zur Tragik des gestrigen Abends: Selbst wohlmeinende Zuhörer werden nicht umhinkommen, zahlreiche Intonationsprobleme zu konstatieren. Das hohe Register klang durchwegs scharf, die Stimme verlor oftmals den Fokus. Mozart ist eben nicht Wagner.

Ihr Don Ottavio wurde, wie bereits in der Premièren-Serie, von Saimir Pirgu mit angenehm dunkler Stimmfärbung gesungen. Pirgu gelang eine durchaus zufriedenstellende gesangliche Interpretation, am mangelhaften legato und der eindimensionalen Charakterisierung des unbedankt Liebenden störte sich der Großteil des Publikums, gestern jedenfalls, nicht.

Man sei ein Rufer in der Wüste: Wer vor drei Jahren Mauro Peter in dieser Partie hören durfte, weiß, daß ein Don Ottavio anders klingen sollte.

VI.
Il Commendatore war Dan Paul Dumitrescu, verläßliches Hausmitglied auch er. Ihm gebricht es an jener Bedrohlichkeit in der Stimme, welchen man von dieser Figur erwarten muß, soll des Schurken Höllenfahrt nicht zum Kasperletheater verkommen. Teddy-Bär statt Racheengel. Soetwas gibt’s.

Da sehnte man sich nach Jongmin Parks Stimme für diese Partie. Park, der sich ansagen hatte lassen, gelang als Leporello nach anfänglich schwachem Beginn mit einigen verwackelten (lies: zu späten) Einsätzen eine überraschend gute Leistung. Dafür, daß »Madamina, il catalogo è questo« auch anders gesungen werden kann, wird der Südkoreaner in einer der Folgevorstellungen hoffentlich den Beweis antreten.

VII.
Die ebenso unbedankt in Don Giovanni verliebte Donna Elvira war Olga Bezsmertna anvertraut worden. Auch sie keine Debutantin. Die von manchen Rezensenten nach Bezsmertnas Leistung als Desdemona geweckten Hoffnungen wichen allerdings rasch einer harschen Realität: Von wenig stimmlicher Präsenz im tiefen und hohen Register ist zu berichten, und von zum Teil kraftloser musikalischer Umsetzung (z.B. bei »Mi tradi quell’ alma ingrata«).

Als Don Giovanni verkleidet stand Adam Plachetka auf der Bühne. Verkleidet? Plachetka mag ein guter Leporello sein. Don Giovanni — ist er keiner. … Diese Partie — man lese nach in Harnoncourts Programmnotizen — verlangt nach einem hellen (Kavaliers-)Bariton vom Schlage eines Eberhard Wächter oder Simon Keenlyside. Und nach perfekter Beherrschung des legato-Singens.

»Deh vieni alla finestra« lebt von Mozarts musikalischem Witz: der legato geführten Singstimme Don Giovannis die Mandoline gegenüberzustellen. Da bedarf es gar nicht erst gesonderter Notation von Bindebögen in der Partitur. Die Beherrschung dieser Technik war nicht nur zu Mozarts Zeit, sondern bis zum Ende des 19. Jahrhunderts obligat. Plachetkas Stimme schien — wie übrigens auch schon in L’elisir d’amore — dafür zu schwerfällig. Auch hier mußte, wer hinhören wollte, Abstriche machen. (Eine gut gespielte Höllenfahrt entschädigte da nicht.)

VIII.
Der Rezensent sei vor allem ein Wahrheitssager. Also denn: Für eine dem Ruf des Hauses Rechnung tragende Mozart-Interpretation bedarf es mehr.

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